Allergien im Griff: Wie eine lebergerichtete Immuntherapie das Immunsystem neu programmiert. Blog#193
Allergien beeinträchtigen weltweit Millionen Menschen – von saisonalem Heuschnupfen bis hin zu lebensbedrohlichen Reaktionen auf Nahrungsmittel oder Insektenstiche. Die meisten verfügbaren Therapien lindern lediglich die Symptome. Die einzige derzeit zugelassene kausale Behandlung ist die spezifische Immuntherapie (SIT), auch als Hyposensibilisierung bekannt. Sie ist jedoch oft langwierig und nicht bei allen Patienten wirksam. Doch was wäre, wenn wir das Immunsystem gezielt so umprogrammieren könnten, dass es Allergene toleriert, anstatt mit Entzündungen zu reagieren?
Ein vielversprechender, aber bislang experimenteller Ansatz ist die lebergerichtete Allergen-Immuntherapie (LIT). Sie nutzt die natürlichen Toleranzmechanismen der Leber und könnte – sofern sie sich bewährt – einen Paradigmenwechsel in der Allergiebehandlung einleiten. Wichtig: Die bisherigen Erkenntnisse stammen ausschließlich aus präklinischen Studien an Mäusen (siehe hier) und müssen erst noch in klinischen Studien am Menschen bestätigt werden.
Dies gelingt durch die chemische Anheftung synthetischer Zuckermoleküle – insbesondere Mannose – an die Oberfläche der Allergene. Dieser Prozess, bekannt als Mannosylierung, ermöglicht es den veränderten Molekülen, die klassischen Alarmsysteme des Immunsystems zu umgehen und direkt von spezialisierten Immunzellen in der Leber verarbeitet zu werden.
Die Mannosylierung erfolgt durch stabile chemische Verbindungen an bestimmte Stellen im Allergen (z. B. Lysin oder Cystein), wobei sogenannte Linker wie NHS-Ester oder Maleimidgruppen verwendet werden. Ziel ist es, pro Allergen etwa 8 bis 12 Mannosemoleküle anzubringen, damit es gut von Mannoserezeptoren (CD206) auf Leberzellen erkannt wird. Danach wird das Produkt gereinigt und mit speziellen Methoden wie MALDI-TOF-MS überprüft.
Im Vergleich zur klassischen Immuntherapie bietet LIT potenziell mehrere Vorteile: eine schnellere Toleranzinduktion, eine erhöhte Sicherheit durch gezielte Leberaufnahme und eine kausale Wirkung, die auf eine echte Heilung abzielt. Allerdings sind diese Vorteile bisher ausschließlich in Tiermodellen gezeigt worden; ihre Übertragbarkeit auf den Menschen ist noch unklar.
Die Zukunft der LIT ist vielversprechend. Erste Studien mit Nanopartikel-basierten Tolerogenen bei Erdnussallergien zeigen ebenfalls positive Effekte in präklinischen Modellen. Darüber hinaus eröffnet dieser Ansatz potenziell auch Anwendungen im Bereich der Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, wo ebenfalls eine fehlerhafte Immunerkennung zugrunde liegt. Allerdings handelt es sich hierbei um reine Spekulation, da klinische Daten fehlen.
Derzeit werden Phase-I-Studien vorbereitet, um die Sicherheit und Verträglichkeit der LIT erstmals beim Menschen zu untersuchen. Im Fokus stehen zunächst Hausstaubmilben-Allergene wie Der p 1, die in mannosylierter Form verabreicht werden sollen. Ziel ist es, herauszufinden, welche Dosis gut vertragen wird und ob erste Hinweise auf eine immunologische Wirkung sichtbar werden. Die Studien sollen nicht nur die Verträglichkeit klären, sondern auch untersuchen, ob die erwartete Aktivierung regulatorischer T-Zellen im menschlichen Immunsystem nachweisbar ist.
Allerdings ist die klinische Wirksamkeit und Sicherheit beim Menschen bisher noch nicht belegt. Erst die Ergebnisse der geplanten klinischen Studien werden zeigen, ob die LIT tatsächlich einen Paradigmenwechsel in der Allergiebehandlung einleitet.
Ein vielversprechender, aber bislang experimenteller Ansatz ist die lebergerichtete Allergen-Immuntherapie (LIT). Sie nutzt die natürlichen Toleranzmechanismen der Leber und könnte – sofern sie sich bewährt – einen Paradigmenwechsel in der Allergiebehandlung einleiten. Wichtig: Die bisherigen Erkenntnisse stammen ausschließlich aus präklinischen Studien an Mäusen (siehe hier) und müssen erst noch in klinischen Studien am Menschen bestätigt werden.
Die Leber als Schlüssel zur Immuntoleranz
Die Leber spielt eine zentrale, aber nicht exklusive Rolle bei der Immuntoleranz. Sie ist immunologisch einzigartig, da sie kontinuierlich mit Antigenen aus der Nahrung und dem Darmmikrobiom konfrontiert ist. Ihre Funktion besteht nicht nur in der Entgiftung, sondern auch in der aktiven Unterdrückung unnötiger Immunantworten. Die LIT nutzt diese Eigenschaft, indem sie Allergene so modifiziert, dass sie gezielt von der Leber aufgenommen werden.Dies gelingt durch die chemische Anheftung synthetischer Zuckermoleküle – insbesondere Mannose – an die Oberfläche der Allergene. Dieser Prozess, bekannt als Mannosylierung, ermöglicht es den veränderten Molekülen, die klassischen Alarmsysteme des Immunsystems zu umgehen und direkt von spezialisierten Immunzellen in der Leber verarbeitet zu werden.
Wie funktioniert die Toleranzerzeugung durch Mannosylierung?
Die mannosylierten Allergene – sogenannte Tolerogene – binden an spezielle Zellen in der Leber, die Lebersinus-Endothelzellen. Diese Zellen kleiden die Blutgefäße der Leber aus und sind darauf spezialisiert, Antigene aus dem Blut aufzunehmen und dem Immunsystem zu präsentieren – jedoch auf eine Weise, die eher zur Toleranz als zur Abwehr führt. Dort regen die Tolerogene gezielt die Bildung von regulatorischen T-Zellen (Tregs) an, die eine beruhigende Wirkung auf das Immunsystem haben. Tregs produzieren entzündungshemmende Botenstoffe wie IL-10, TGF-β und auch IL-35, die dem Immunsystem signalisieren, harmlose Substanzen wie Allergene zu tolerieren. Gleichzeitig werden entzündungsfördernde Zellen wie TH2-Zellen, die für allergische Reaktionen verantwortlich sind, gehemmt.Innovative Allergenmodifikation: Vom Allergen zum Tolerogen
Für die LIT werden gezielt Allergene mit hoher Relevanz und Modifizierbarkeit eingesetzt – darunter Insektengift-Allergene (z. B. Api m 1, Ves v 1), Atemwegsallergene (Der p 1, Bet v 1) sowie Nahrungsmittelallergene (Ara h 2, Ovalbumin). Allergene sind meist körperfremde Proteine, die das Immunsystem fälschlicherweise als gefährlich einstuft. Ein typisches Beispiel ist Der p 1, ein wichtiges Allergen der Hausstaubmilbe mit enzymatischer Aktivität als Cysteinprotease und natürlicher Glykosylierung. Damit dieses Allergen sicher verändert werden kann, muss die Enzymfunktion vor der Modifikation ausgeschaltet werden – zum Beispiel mit einem Hemmstoff wie E-64. So bleibt der Teil des Moleküls erhalten, den das Immunsystem erkennt, während die allergieauslösende Wirkung reduziert wird.Die Mannosylierung erfolgt durch stabile chemische Verbindungen an bestimmte Stellen im Allergen (z. B. Lysin oder Cystein), wobei sogenannte Linker wie NHS-Ester oder Maleimidgruppen verwendet werden. Ziel ist es, pro Allergen etwa 8 bis 12 Mannosemoleküle anzubringen, damit es gut von Mannoserezeptoren (CD206) auf Leberzellen erkannt wird. Danach wird das Produkt gereinigt und mit speziellen Methoden wie MALDI-TOF-MS überprüft.
Vorteile und Perspektiven der LIT
Präklinische Studien an Mäusen zeigen vielversprechende Ergebnisse (LINK): Die hergestellten mannosylierten Allergene wurden in niedriger Dosis (meist 5–20 Mikrogramm pro Maus) intravenös verabreicht. Durch die spezifische Mannosylierung wurden sie bevorzugt von Immunzellen in der Leber aufgenommen und aktivierten gezielt die Toleranzmechanismen. Im Ovalbumin-Modell konnte dadurch nicht nur die Entstehung einer allergischen Reaktion verhindert, sondern auch bestehende Allergien langfristig abgeschwächt oder sogar umgekehrt werden. Im Hausstaubmilben-Modell ging die allergische Entzündung in der Lunge deutlich zurück.Im Vergleich zur klassischen Immuntherapie bietet LIT potenziell mehrere Vorteile: eine schnellere Toleranzinduktion, eine erhöhte Sicherheit durch gezielte Leberaufnahme und eine kausale Wirkung, die auf eine echte Heilung abzielt. Allerdings sind diese Vorteile bisher ausschließlich in Tiermodellen gezeigt worden; ihre Übertragbarkeit auf den Menschen ist noch unklar.
Die Zukunft der LIT ist vielversprechend. Erste Studien mit Nanopartikel-basierten Tolerogenen bei Erdnussallergien zeigen ebenfalls positive Effekte in präklinischen Modellen. Darüber hinaus eröffnet dieser Ansatz potenziell auch Anwendungen im Bereich der Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, wo ebenfalls eine fehlerhafte Immunerkennung zugrunde liegt. Allerdings handelt es sich hierbei um reine Spekulation, da klinische Daten fehlen.
Derzeit werden Phase-I-Studien vorbereitet, um die Sicherheit und Verträglichkeit der LIT erstmals beim Menschen zu untersuchen. Im Fokus stehen zunächst Hausstaubmilben-Allergene wie Der p 1, die in mannosylierter Form verabreicht werden sollen. Ziel ist es, herauszufinden, welche Dosis gut vertragen wird und ob erste Hinweise auf eine immunologische Wirkung sichtbar werden. Die Studien sollen nicht nur die Verträglichkeit klären, sondern auch untersuchen, ob die erwartete Aktivierung regulatorischer T-Zellen im menschlichen Immunsystem nachweisbar ist.
Fazit
Die lebergerichtete Allergen-Immuntherapie (LIT) ist ein wissenschaftlich fundierter Ansatz, der auf vielversprechenden Ergebnissen aus präklinischen Studien an Mäusen beruht. Sie nutzt gezielt die natürlichen Toleranzmechanismen der Leber, um das Immunsystem zur Akzeptanz von Allergenen zu bewegen. Damit bietet die LIT eine innovative Grundlage für die Entwicklung kausaler Therapien bei Allergien und könnte langfristig über die reine Symptomkontrolle hinausgehen.Allerdings ist die klinische Wirksamkeit und Sicherheit beim Menschen bisher noch nicht belegt. Erst die Ergebnisse der geplanten klinischen Studien werden zeigen, ob die LIT tatsächlich einen Paradigmenwechsel in der Allergiebehandlung einleitet.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ich, sich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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