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Posts mit dem Label "Medizinische Chemie" werden angezeigt.

Lesebrille ade? Wie die neuen Aceclidin-Augentropfen die Alterssichtigkeit behandeln. Blog#241

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Die Presbyopie, umgangssprachlich Alterssichtigkeit oder genauer Altersweitsichtigkeit, betrifft früher oder später fast jeden: das Smartphone verschwimmt, die Speisekarte muss auf Armeslänge gehalten werden. Doch was steckt dahinter – und was kann man dagegen tun? Presbyopie entsteht durch Linsenverhärtung und geschwächten Ziliarmuskel – eine natürliche Alterung ab 45 Jahren. Bisherige Optionen: Brillen, Linsen oder OP. Aceclidin als Tropfen (VIZZ) bietet nun eine nicht-invasive Alternative. Aceclidin: Ein bekannter Wirkstoff in neuer Mission Aceclidin, chemisch bekannt als 1-Azabicyclo[2.2.2]oct-3-yl acetat, ist in der Augenheilkunde kein Unbekannter. Der Wirkstoff wurde historisch bereits zur Behandlung des grünen Stars (Glaukom) unter Handelsnamen wie Glaucostat eingesetzt. Seine Renaissance erlebt er jedoch durch eine neue Indikation: Vor wenigen Wochen hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA das Präparat VIZZ™ (eine 1,44 % Aceclidin-Lösung) zur Behandlung der Presbyopie ...

Enlicitide: Die erste orale PCSK9-Therapie zur wirksamen Cholesterinbehandlung. Blog#238

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Kurzfazit Ein oraler PCSK9-Hemmer galt als kaum realisierbar – ein Team von Medizinalchemikern bei Merck&Co (USA) hat dies erstmals ermöglicht. Enlicitide senkt LDL um etwa 60 % und erreicht damit das Niveau moderner PCSK9-Antikörper. Sicherheit und Verträglichkeit waren in den Studien vergleichbar mit Placebo. Kardiovaskuläre Erkrankungen gehören seit Jahrzehnten zu den zentralen Herausforderungen der modernen Medizin. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Herzinfarkte und Schlaganfälle, bleiben weltweit die führenden Todesursachen. Einer der entscheidenden Risikofaktoren ist ein dauerhaft erhöhter LDL‑Cholesterinspiegel. Über viele Jahre hinweg fördert ein zu hoher LDL‑Wert unbemerkt die Bildung atherosklerotischer Plaques , wodurch sich die Arterien allmählich verengen – häufig ohne frühe Beschwerden. Statine haben diese Entwicklung bei Millionen Menschen deutlich verlangsamt und das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse erheblich gesenkt. Dennoch erreichen etwa die Hälfte bis ...

Azelastin – mögliche Schutzwirkung eines bekannten Nasensprays gegen SARS-CoV-2. Blog#228

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Eine aktuelle Studie der Universität des Saarlands, veröffentlicht im renommierten Fachjournal JAMA Internal Medicine (Journal der American Medical Association), liefert überraschende Hinweise: Das seit Jahren bewährte Antihistaminikum Azelastin, bekannt als Nasenspray gegen Heuschnupfen, könnte auch vor Infektionen mit SARS-CoV-2 schützen ( LINK ). In der randomisierten, doppelt verblindeten und placebokontrollierten Phase-2-Studie zeigte sich, dass Azelastin möglicherweise bereits in der Nasenschleimhaut – also an der Eintrittspforte des Virus – wirksam wird. Sollte sich dieser Effekt in größeren Untersuchungen bestätigen, könnte ein frei erhältliches Nasenspray künftig eine einfache und gut verträgliche Möglichkeit bieten, virale Atemwegsinfektionen vorzubeugen. Bekannter Wirkstoff mit neuer Perspektive Azelastin blockiert Histaminrezeptoren und lindert typische Allergiesymptome wie Niesen, Juckreiz und verstopfte Nase. Präklinische Untersuchungen zeigten in den letzten Jahren zusät...

Moderne Methoden in der Antiinfektivaforschung: Entdeckung von Mandimycin und Lariocidin. Blog#217

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Die zunehmende Bedrohung durch multiresistente Erreger erfordert neue Ansätze in der Entwicklung antimikrobieller Wirkstoffe, also Substanzen, die Bakterien, Pilze oder andere Mikroorganismen hemmen oder abtöten. Die aktuellen Entdeckungen von Mandimycin und Lariocidin zeigen, wie moderne Genomik, Künstliche Intelligenz und synthetische Biologie die Suche nach neuartigen Antibiotika und Antimykotika vorantreiben. Herausforderungen und technologische Fortschritte bei der Entdeckung neuer Antiinfektiva Seit der Entdeckung des Penicillins 1928 war die Suche nach neuen Antibiotika und Antimykotika – also Wirkstoffe, die gezielt Bakterien (Antibiotika) oder Pilze (Antimykotika) bekämpfen – ein zentrales Anliegen der medizinischen Forschung. Antibiotika werden zur Behandlung schwerer bakterieller Infektionen wie Lungenentzündung, Sepsis, Tuberkulose oder bakterieller Meningitis eingesetzt. Antimykotika kommen insbesondere bei systemischen Pilzinfektionen zum Einsatz, wie sie etwa bei immunge...

Wirkungsverstärker in der Arzneimittelforschung: Protektor- und Booster-Konzepte. Blog#215

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Arzneimittelresistenzen, enzymatischer Wirkstoffabbau und eingeschränkte Bioverfügbarkeit zählen zu den großen Herausforderungen der heutigen Medizin. Eine besonders innovative Lösung liefert die Anwendung von Boostern und Protektoren . Diese Begleitstoffe machen Medikamente wirksamer, sicherer und langlebiger – und gewinnen damit in der pharmazeutischen Forschung rasant an Bedeutung. Was sind Booster und Protektoren? Booster und Protektoren sind keine eigenständigen Wirkstoffe, sondern Unterstützer: Protektoren schützen den Hauptwirkstoff vor dem Abbau durch äußere Angriffe, indem sie zum Beispiel inaktivierende Enzyme blockieren. Booster hemmen Abbauwege oder Transportmechanismen im menschlichen Körper, wodurch die Wirkstoffkonzentration im Blut ansteigt und länger erhalten bleibt. Beide Prinzipien folgen einer gemeinsamen Idee: Die Therapie wirksamer zu machen, ohne neue Wirkstoffe entwickeln zu müssen. Trotz ähnlichem Endeffekt werden Protektoren und Booster aufgrund unterschiedl...

CD388: Der nächste Schritt zur universellen und langwirksamen Grippeprävention? Blog#206

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Trotz jahrzehntelanger Impfprogramme bleibt die Influenza eine tödliche und weitverbreitete Bedrohung – jährlich erkranken weltweit 3 bis 5 Millionen Menschen schwer, bis zu eine halbe Million sterben an den Folgen. Besonders gefährdet sind ältere und immunsupprimierte Personen, bei denen herkömmliche Impfstoffe oft nicht ausreichend wirken. CD388, ein neuartiges Drug-Fc-Konjugat (DFC) von Cidara Therapeutics, könnte nun erstmals eine potenziell universelle Grippeprophylaxe ermöglichen. Die aktuellen Phase-2b-Daten lassen auf einen langanhaltenden Schutz schließen – unabhängig vom Immunstatus der Patienten. Wissenschaftliche Grundlage: Ein neuartiger Wirkmechanismus CD388 kombiniert einen hochpotenten Neuraminidase-Hemmer (Zanamivir-Dimer) mit einem modifizierten humanen Fc-Fragment (k onstanter Antikörperteil der an Immunrezeptoren bindet).  Diese Struktur - Details siehe in untenstehender Abbildung - löst zwei Kernprobleme: Direkte Virushemmung: Die Zanamivir-Komponente blockiert...

Neues Medikament gegen Narkolepsie Typ 1: Wie TAK-861 (Oveporexton) die Therapie revolutionieren könnte. Blog#196

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Narkolepsie ist eine chronische neurologische Schlaf-Wach-Störung, von der in Deutschland schätzungsweise rund 40.000 Menschen betroffen sind – häufig bleibt sie jedoch lange unentdeckt. Die Erkrankung kann den Alltag massiv beeinträchtigen und führt oft zu erheblichen Einschränkungen in Beruf und sozialem Leben. Betroffene erleben plötzliche Schlafanfälle selbst in aktiven Situationen, verlieren durch Kataplexie unerwartet die Muskelkontrolle oder kämpfen mit Konzentrationsproblemen und nächtlicher Schlafstörung – was den geregelten Tagesablauf, die Arbeitsfähigkeit und soziale Aktivitäten stark beeinträchtigen kann. Vor diesem Hintergrund sind neue therapeutische Ansätze von besonderer Bedeutung. Die Entwicklung von TAK-861 (Oveporexton), einem Wirkstoff des japanischen Pharmaunternehmens Takeda, markiert einen bedeutenden Fortschritt in der Therapie der Narkolepsie Typ 1. Als selektiver Orexin-Rezeptor-2-Agonist zielt dieser Wirkstoff direkt auf die zugrunde liegende Ursache der Erk...

Die zehn umsatzstärksten Medikamente 2024: Innovation, Wandel und neue Blockbuster. Blog#192

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Nach dem pandemiebedingten Ausnahmezustand erlebte der Pharmamarkt im Jahr 2024 eine  robuste Rückkehr zu Wachstum . Getragen wurde dieser Aufschwung von bahnbrechenden Innovationen in der  Onkologie  und  Immunologie  sowie der sogenannten "metabolischen Revolution" durch neue  Diabetes- und Adipositas-Therapien . Mit einem  zugrunde liegenden Wachstum von 9,2 %  (bereinigt um den Einfluss von COVID-19-Produkten) hat sich der globale Pharmamarkt eindrucksvoll von den Pandemiejahren erholt. Die  USA  waren dabei der größte Wachstumstreiber, mit einem Zuwachs von 13,0 % auf 509 Milliarden US-Dollar und einem Anteil von 45,3 % am Weltmarkt. Während ehemalige Blockbuster wie  Humira  und die  COVID-19-Impfstoffe  an Bedeutung verloren, rückten neue Stars ins Rampenlicht. Besonders auffällig ist die  explosionsartige Nachfrage nach GLP-1-Rezeptoragonisten  wie  Ozempic  und  Mounjaro  sowie d...

CGRP-Antagonist Ubrogepant: Durchbruch in der Migräne-Frühtherapie? Blog#188

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Migräne ist weit mehr als „nur“ Kopfschmerz: Bereits Stunden bis Tage vor der eigentlichen Attacke leiden viele Betroffene unter belastenden Vorbotensymptomen. Diese sogenannte Prodromalphase ist durch Beschwerden wie Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Konzentrationsstörungen, Nackenschmerzen, extreme Müdigkeit, aber auch Gereiztheit oder depressive Verstimmung gekennzeichnet . Wichtig: Die Prodromalphase ist von der sogenannten Aura zu unterscheiden, die bei etwa einem Viertel der Patientinnen und Patienten mit vorübergehenden neurologischen Ausfällen (z.B. Sehstörungen) auftritt . Bisher konzentrierte sich die Akuttherapie fast ausschließlich auf die Kopfschmerzphase. Für die Frühphase gab es keine spezifische Behandlung, obwohl die Symptome den Alltag deutlich beeinträchtigen können. Neuer Therapieansatz: Ubrogepant in der Prodromalphase Mit Ubrogepant, einem oralen CGRP-Rezeptorantagonisten, gibt es erstmals klinische Hinweise , dass eine frühzeitige medikamentöse Intervention ber...

Kreatin – Schlüsselmolekül für Energie, Muskelkraft, Gehirnleistung und gesundes Altern. Blog#187

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Kreatin (Methylguanidinoessigsäure) zählt zu den am gründlichsten erforschten Nahrungsergänzungsmitteln. Seine vielseitigen Effekte reichen von der Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit über die Förderung kognitiver Funktionen bis hin zum Schutz vor altersbedingtem Muskelabbau. Dieser Beitrag erläutert die grundlegenden biochemischen Wirkmechanismen von Kreatin, zeigt auf, welche Personengruppen besonders von einer gezielten Supplementierung profitieren können, und verdeutlicht, warum Kreatin weit mehr ist als ein reines Fitnesspräparat. Was ist Kreatin und wie wirkt es? Kreatin ist eine körpereigene Substanz, die zu rund 95 % in der Muskulatur und zu etwa 5 % im Gehirn, der Leber und den Nieren gespeichert wird. Der Organismus bildet Kreatin selbst in Leber und Niere – aus den Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin. Seine Hauptfunktion: In Form von Phosphokreatin dient Kreatin als schnell verfügbarer Energiespeicher zur Regeneration von ATP – dem „Treibstoff“ aller Zellen. ...