Moderne Methoden in der Antiinfektivaforschung: Entdeckung von Mandimycin und Lariocidin. Blog#217
Die zunehmende Bedrohung durch multiresistente Erreger erfordert neue Ansätze in der Entwicklung antimikrobieller Wirkstoffe, also Substanzen, die Bakterien, Pilze oder andere Mikroorganismen hemmen oder abtöten. Die aktuellen Entdeckungen von Mandimycin und Lariocidin zeigen, wie moderne Genomik, Künstliche Intelligenz und synthetische Biologie die Suche nach neuartigen Antibiotika und Antimykotika vorantreiben.
Lariocidin gehört zur ersten bekannten Klasse von lassoartigen Peptidantibiotika, die gezielt das bakterielle Ribosom angreifen – das zentrale System für die Proteinbiosynthese. Es bindet an eine bislang von keinem anderen Antibiotikum genutzte Region der 30S-Untereinheit und blockiert so die Translation, also die Umsetzung genetischer Information in Eiweiße. Da das Ribosom für das Wachstum und Überleben von Bakterien essenziell ist, führt diese Hemmung schnell zum Absterben der Erreger. Dank seiner hohen Spezifität für bakterielle Strukturen bleiben menschliche Zellen dabei weitgehend verschont.
Allerdings müssen vor einer klinischen Anwendung von Mandimycin und Lariocidin noch erhebliche Hürden überwunden werden.
Herausforderungen und technologische Fortschritte bei der Entdeckung neuer Antiinfektiva
Seit der Entdeckung des Penicillins 1928 war die Suche nach neuen Antibiotika und Antimykotika – also Wirkstoffe, die gezielt Bakterien (Antibiotika) oder Pilze (Antimykotika) bekämpfen – ein zentrales Anliegen der medizinischen Forschung. Antibiotika werden zur Behandlung schwerer bakterieller Infektionen wie Lungenentzündung, Sepsis, Tuberkulose oder bakterieller Meningitis eingesetzt. Antimykotika kommen insbesondere bei systemischen Pilzinfektionen zum Einsatz, wie sie etwa bei immungeschwächten Patienten auftreten, und unbehandelt lebensbedrohlich verlaufen können. Die Entstehung multiresistenter Pathogene erschwert jedoch zunehmend die Bekämpfung von Infektionen.Klassische Screeningverfahren für natürliche Wirkstoffe – also das systematische Testen von Mikroorganismen, etwa aus dem Boden, auf ihre Fähigkeit zur Bildung bioaktiver Substanzen – stießen in den letzten Jahrzehnten zunehmend an ihre Grenzen. Häufig wurden dabei lediglich bereits bekannte Verbindungen erneut entdeckt, was die Entwicklung neuer Therapieoptionen verlangsamte und zu einem deutlichen Rückgang der Innovationsrate führte. Während zwischen 1940 und 1960 über 20 neue Antibiotikaklassen entdeckt wurden – darunter viele heute noch genutzte Wirkstoffe wie Tetracycline, Makrolide oder Aminoglykoside –, ist in den letzten zwei Jahrzehnten kaum eine neue Klasse mit klinischer Relevanz hinzugekommen. Die Pipeline innovativer Antiinfektiva ist weitgehend versiegt, was das Problem resistenter Erreger zusätzlich verschärft.
Vor diesem Hintergrund haben sich neue Technologien etabliert, die systematisch die genetische Vielfalt mikrobieller Organismen auswerten. Mit bioinformatischen Methoden, KI-gestützten Vorhersagen und synthetischer Biologie lassen sich bisher unerschlossene Biosynthese-Potentiale erschließen. Die kürzlich identifizierten Wirkstoffe Mandimycin – ein Polyen-Makrolid mit neuartigem Wirkmechanismus – und Lariocidin – ein lassoartiges Peptidantibiotikum mit spezifischer Bindung an das Ribosom – veranschaulichen eindrücklich die Fortschritte dieser modernen Forschungsansätze.
Vor diesem Hintergrund haben sich neue Technologien etabliert, die systematisch die genetische Vielfalt mikrobieller Organismen auswerten. Mit bioinformatischen Methoden, KI-gestützten Vorhersagen und synthetischer Biologie lassen sich bisher unerschlossene Biosynthese-Potentiale erschließen. Die kürzlich identifizierten Wirkstoffe Mandimycin – ein Polyen-Makrolid mit neuartigem Wirkmechanismus – und Lariocidin – ein lassoartiges Peptidantibiotikum mit spezifischer Bindung an das Ribosom – veranschaulichen eindrücklich die Fortschritte dieser modernen Forschungsansätze.
Fortschritte in der Wirkstoffentdeckung durch genomisches Mining und KI
Die bisher angewandten Methoden der Wirkstoffsuche basierten vor allem auf der Kultivierung und Testung von Bodenmikroorganismen. Dieses klassische Verfahren war zwar erfolgreich, brachte aber langfristig nur begrenzte Neuerungen.
Die Einführung von Hochdurchsatz-Sequenzierung und bioinformatischen Werkzeugen stellt eine wesentliche Verbesserung dar. Beispielsweise dient die Software antiSMASH (antibiotics & Secondary Metabolite Analysis Shell) dazu, in den Erbgutinformationen (Genomen) von Mikroorganismen gezielt sogenannte Biosynthese-Gencluster (BGCs) zu identifizieren. antiSMASH ist ein spezialisiertes bioinformatisches Werkzeug, das auf Grundlage umfangreicher Datenbanken und definierter Algorithmen automatisch erkennt, welche Abschnitte des Genoms potenziell zur Produktion bioaktiver Moleküle führen können. Die Software klassifiziert diese Cluster nach bekannten Wirkstofftypen (z. B. Polyketide, Nicht-ribosomale Peptide) und erstellt detaillierte Vorhersagen zur Struktur der möglichen Produkte. So lassen sich gezielt Mikroorganismen mit bisher unentdecktem Wirkstoffpotenzial identifizieren, selbst wenn diese Verbindungen unter Standardkulturbedingungen nicht exprimiert werden.
Diese Gencluster enthalten die genetischen Baupläne für die Herstellung sogenannter Sekundärmetabolite – also bioaktive Moleküle, die nicht für das Überleben der Mikroorganismen notwendig sind, aber oft antibiotische oder toxische Wirkungen haben. Durch die Analyse dieser Cluster lassen sich neue Wirkstoffkandidaten aufspüren, die in klassischen Kulturverfahren möglicherweise nicht entdeckt worden wären. Diese „genomischen Schatzkarten“ erlauben eine gezielte Suche nach unbekannten Wirkstoffklassen und können auch bislang „stille“ Biosynthesewege aktivieren.
Die Integration von KI-Technologien ermöglicht es darüber hinaus, auf Basis großer Datenmengen und strukturbiologischer Modelle die Wirkung potenzieller Wirkstoffe auf zelluläre Zielstrukturen sowie deren mögliche Nebenwirkungen und toxische Effekte frühzeitig zu prognostizieren. So lassen sich potenziell problematische Substanzen bereits in einem sehr frühen Stadium ausschließen. Ergänzend dazu erlauben automatisierte Syntheseplattformen und robotergestützte Hochdurchsatz-Testsysteme die schnelle Herstellung und präzise biologische Testung zahlreicher Molekülvarianten. Dadurch lässt sich die präklinische Entwicklungszeit erheblich verkürzen und der Weg zu vielversprechenden Kandidaten effizienter gestalten.
Die Integration von KI-Technologien ermöglicht es darüber hinaus, auf Basis großer Datenmengen und strukturbiologischer Modelle die Wirkung potenzieller Wirkstoffe auf zelluläre Zielstrukturen sowie deren mögliche Nebenwirkungen und toxische Effekte frühzeitig zu prognostizieren. So lassen sich potenziell problematische Substanzen bereits in einem sehr frühen Stadium ausschließen. Ergänzend dazu erlauben automatisierte Syntheseplattformen und robotergestützte Hochdurchsatz-Testsysteme die schnelle Herstellung und präzise biologische Testung zahlreicher Molekülvarianten. Dadurch lässt sich die präklinische Entwicklungszeit erheblich verkürzen und der Weg zu vielversprechenden Kandidaten effizienter gestalten.
Mandimycin und Lariocidin: Neue Substanzklassen mit innovativen Wirkmechanismen
Mandimycin wurde mithilfe eines phylogenie-geführten, bioinformatischen Screenings von mehr als 300.000 bakteriellen Genomen entdeckt. Dabei kamen moderne Methoden wie die Software antiSMASH zum Einsatz, die gezielt nach bislang unbekannten Biosynthese-Genclustern suchte. Durch die Kombination mit KI-gestützten Vorhersagemodellen konnten besonders vielversprechende Cluster hinsichtlich ihrer potenziellen biologischen Aktivität ausgewählt werden. Mandimycin wurde anschließend synthetisch hergestellt und in automatisierten Testsystemen auf seine antimykotische Wirkung geprüft. Diese computergestützte Vorauswahl und die effiziente Testung im Hochdurchsatzverfahren ermöglichten eine gezielte und schnelle Identifizierung eines Wirkstoffs mit neuartigem Wirkmechanismus und günstigen pharmakologischen Eigenschaften.
Im Unterschied zu bekannten Polyenen wie Amphotericin B, einem seit Jahrzehnten therapeutisch eingesetzten Antimykotikum, bindet Mandimycin nicht primär an Ergosterol, sondern an verschiedene Phospholipide der Pilzmembran. Diese Eigenschaft führt zu einem erweiterten Wirkspektrum und schließt Kreuzresistenzen aus. In präklinischen Studien zeigte Mandimycin ausgeprägte Fungizid-Wirkung gegen multiresistente Pilzstämme bei vergleichsweise geringerer Toxizität gegenüber menschlichen Zellen. Die hohe Wasserlöslichkeit und orale Bioverfügbarkeit stellen weitere pharmakologische Vorteile dar.
Lariocidin ist ein neuartiges Lasso-Peptid, entdeckt durch gezielte Langzeitkultivierung (über 1 Jahr) bodenbasierter Paenibacillus–Stämme, also einer Gruppe von Bodenbakterien, die bekannt dafür sind, vielfältige bioaktive Substanzen zu produzieren. Die Identifikation erfolgte über bioaktivitätsgeleitete Fraktionierung eines methanolischen Extrakts. Aktive Fraktionen wurden gegen multiresistente Erreger getestet und weiter gereinigt. Das verantwortliche Gencluster (lrc BGC) wurde sequenziert und erfolgreich in Streptomyces lividans exprimiert, wodurch Produktion und antibakterielle Wirkung bestätigt wurden.
Im Unterschied zu bekannten Polyenen wie Amphotericin B, einem seit Jahrzehnten therapeutisch eingesetzten Antimykotikum, bindet Mandimycin nicht primär an Ergosterol, sondern an verschiedene Phospholipide der Pilzmembran. Diese Eigenschaft führt zu einem erweiterten Wirkspektrum und schließt Kreuzresistenzen aus. In präklinischen Studien zeigte Mandimycin ausgeprägte Fungizid-Wirkung gegen multiresistente Pilzstämme bei vergleichsweise geringerer Toxizität gegenüber menschlichen Zellen. Die hohe Wasserlöslichkeit und orale Bioverfügbarkeit stellen weitere pharmakologische Vorteile dar.
Lariocidin ist ein neuartiges Lasso-Peptid, entdeckt durch gezielte Langzeitkultivierung (über 1 Jahr) bodenbasierter Paenibacillus–Stämme, also einer Gruppe von Bodenbakterien, die bekannt dafür sind, vielfältige bioaktive Substanzen zu produzieren. Die Identifikation erfolgte über bioaktivitätsgeleitete Fraktionierung eines methanolischen Extrakts. Aktive Fraktionen wurden gegen multiresistente Erreger getestet und weiter gereinigt. Das verantwortliche Gencluster (lrc BGC) wurde sequenziert und erfolgreich in Streptomyces lividans exprimiert, wodurch Produktion und antibakterielle Wirkung bestätigt wurden.
Die Entdeckung markiert den ersten Antibiotikum‑Neuzugang einer neuen Klasse seit rund 30 Jahren und zeigt beeindruckendes Potenzial für die Behandlung multiresistenter Infektionen.
Herausforderungen und Perspektiven
Trotz der vielversprechenden Eigenschaften von Mandimycin und Lariocidin bestehen noch wesentliche Hürden für eine klinische Anwendung.
- Die Entwicklungskosten und regulatorischen Anforderungen sind hoch, wobei der wirtschaftliche Anreiz bei Antiinfektivwirkstoffen begrenzt ist. Das liegt vor allem daran, dass diese Medikamente meist nur kurzzeitig verabreicht werden und häufig als sogenannte Reserveinfektiva zurückgehalten werden, um Resistenzen zu vermeiden. Dadurch ist der potenzielle Absatz gering. Im Gegensatz dazu lassen sich Arzneimittel gegen chronische Erkrankungen, etwa Bluthochdruck oder Diabetes, über Jahre hinweg verordnen, was deutlich höhere Umsätze generiert.
- Weiterhin sind umfangreiche Arbeiten zur Optimierung von Wirkstoffproduktion, Stabilität, Pharmakokinetik und Toxizität erforderlich.
Fazit
Mandimycin und Lariocidin zeigen, welche Fortschritte heute mit moderner Biotechnologie und computergestützter Wirkstoffsuche möglich sind. Beide Substanzen greifen auf bislang ungenutzte Wirkmechanismen zurück und zeigen in präklinischen Untersuchungen vielversprechende Eigenschaften.Allerdings müssen vor einer klinischen Anwendung von Mandimycin und Lariocidin noch erhebliche Hürden überwunden werden.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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