Simplizität: Warum der einfachste Weg an der Börse der klügste ist – und wie du davon profitierst. Blog#244

Ich bin kürzlich auf die Anlagephilosophie von Rick Ferri gestoßen – einem erfahrenen Wall-Street-Veteranen und Vorkämpfer für Privatanleger (Link). Was mich überrascht hat: Seine Kernaussagen decken sich nahezu vollständig mit meinen eigenen Erfahrungen aus mehreren Jahrzehnten an der Börse.

In diesem Beitrag zeige ich dir, warum diese gemeinsame Erkenntnis auf einen einfachen Nenner hinausläuft: radikale Simplizität. Warum gerade der unscheinbare, vermeintlich langweilige Weg in der Praxis überlegen ist – und weshalb du darüber in Bankgesprächen so gut wie nie etwas hörst.

Die vier Entwicklungsstufen eines Investors

Ferri beschreibt diesen Weg als einen vierstufigen Lernprozess. Egal wo ihr gerade steht, ihr werdet euch in einer dieser vier Stufen wiederfinden:
  1. Dunkelheit (Darkness): Hier fangen wir alle an. Wir tappen im Dunkeln, haben keine Strategie und jagen "heißen Tipps" oder der Hoffnung auf schnellen Reichtum hinterher. Wir lassen uns von Emotionen treiben und hoffen, den Markt zu schlagen – oft mit hohen Kosten und mäßigem Erfolg.
  2. Erleuchtung (Enlightenment): Dann kommt der "Aha-Moment". Wir erkennen – oft durch den Blick auf die nackten Daten –, dass wir den Markt gar nicht schlagen können und unsere Performance hinterherhinkt. Wir verstehen plötzlich die Überlegenheit von kostengünstigen Indexfonds.
  3. Komplexität (Complexity): Das ist die gefährlichste Phase. Wir haben zwar das Prinzip verstanden, versuchen aber nun, das "perfekte" Portfolio zu basteln. Wir optimieren übermäßig, mischen zig Faktoren bei (Small Caps, Momentum, etc.) und zerstückeln unser Depot. Das Resultat? Wir verlieren den Überblick und oft auch die Disziplin.
  4. Simplizität (Simplicity): Die Stufe der wahren Meisterschaft. Wir erkennen, dass der ganze Aufwand der "Komplexität" kaum Mehrwert bringt, aber das Risiko von Fehlern erhöht. Wir kehren zu einem extrem einfachen, kostengünstigen Portfolio zurück und ziehen das stur durch.

Ist das nur eine nette Theorie oder wissenschaftlich haltbar?

Ferris Modell der vier Stufen ist zunächst einmal eine anekdotische Beobachtung aus seiner jahrzehntelangen Praxis. Aber – und das deckt sich absolut mit meinen Beobachtungen – es beschreibt die psychologische Realität der meisten Anleger extrem treffend.

Was jedoch wissenschaftlich absolut robust ist, sind die Schlussfolgerungen für die letzte Stufe, die Simplizität: Die Überlegenheit kostengünstiger, breit diversifizierter Indexportfolios lässt sich unter anderem durch das Sharpe-Argument („Arithmetic of Active Management“) und zahlreiche Langzeitvergleiche wie die SPIVA-Studien belegen. Auch wenn komplexe Modelle in der Theorie vielleicht minimale Vorteile hätten, scheitern sie in der Praxis am "Faktor Mensch". Wir neigen dazu, komplexe Systeme zum falschen Zeitpunkt über den Haufen zu werfen. Die Wissenschaft zeigt klar: Ein simples Index-Portfolio schlägt langfristig über 80 % der aktiv verwalteten Strategien. Die Simplizität ist also nicht Faulheit, sondern die strategische Entscheidung, das größte Risiko zu minimieren: unser eigenes Verhalten.

Warum dein Bankberater dir niemals zu "Simplizität" raten wird

Wenn diese Strategie so überlegen ist, warum empfiehlt sie dir dann kaum ein Anlageberater?

Die Antwort liegt in den falschen Anreizen. Die Finanzindustrie lebt davon, dir Komplexität zu verkaufen. Wenn ein Berater eine Gebühr auf dein verwaltetes Vermögen verlangt – sagen wir die üblichen 1 % –, muss er irgendwie rechtfertigen, warum er dieses Geld wert ist.

Rick Ferri bringt es so auf den Punkt: „Komplexität ist Arbeitsplatzsicherheit“.

"...Sie bauen dir komplizierte Portfolios, damit du die Hände hebst und sagst: „Du bist der Experte, mach du das“. Würden sie dir sagen: „Kauf diese drei ETFs und lass sie 20 Jahre liegen“, wären sie ihren Job und ihre Gebühren los. Sie erzeugen diese Komplexität letztendlich auf deine Kosten..."

Die Lösung: Honorarberatung oder eigenes Finanzwissen statt "kostenloser" Verkaufsgespräche

Der Ausweg aus diesem Dilemma ist simpel, aber für viele ungewohnt: Statt prozentualer Gebühren, die deinen Zinseszins auffressen, zahlst du entweder einen Honorarberater auf Stundenbasis – oder du investierst bewusst Zeit, dir das notwendige Fachwissen selbst anzueignen.

Den Honoarberater bezahlst du stundenweise für sein Fachwissen – genau wie einen Steuerberater oder Anwalt. Das klingt im ersten Moment nach "Kosten", ist aber für den normalen Anleger langfristig viel, viel günstiger als die versteckten Kosten und laufenden Gebühren der vermeintlich kostenlosen Bankberatung. Hier sind die Interessen zu 100 % auf deiner Seite. Achte bei der Auswahl darauf, dass der Berater keine Provisionen erhält, seine Vergütung klar offenlegt und seine Empfehlungen produktunabhängig formuliert.

Die 3 Schlüssel zum Erfolg

Wer die Strategie der Simplizität konsequent umsetzen und damit langfristig Vermögen aufbauen – oder wie in meiner Situation: erhalten – will, braucht drei wesentliche Bausteine:
  1. Die Philosophie: Ein klares, stabiles Grundverständnis, wie Märkte funktionieren. Dazu gehört vor allem die Einsicht, dass es für Privatanleger meist sinnvoller ist, die globale Marktrendite günstig „einzusammeln“, statt den Markt schlagen zu wollen. Ohne diese innere Überzeugung ist jede einfache ETF-Strategie nur eine vorübergehende Mode – und wird beim nächsten Börsensturm über Bord geworfen.
  2. Die Strategie: Die nüchterne Übersetzung dieser Philosophie in einen konkreten Plan. Das heißt: eine saubere Asset-Allocation (Aufteilung in Aktien, Anleihen und ggf. weitere Bausteine), die zu deinen Zielen, deinem Zeithorizont und deiner Risikotoleranz passt. Dazu gehören einfache Regeln, wie du sparst, investierst und in festen Abständen auf deine Zielquoten zurückrebalancierst.
  3. Die Disziplin: Der schwierigste Teil: den Plan durchhalten. Disziplin bedeutet, sich nicht von Marktlärm, Crash-Schlagzeilen oder Euphorie zu spontanen Änderungen verleiten zu lassen. Simplizität ist hier ein Verbündeter: Je weniger bewegliche Teile dein Portfolio hat, desto geringer ist die Versuchung, ständig daran herumzuschrauben – und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du die Strategie über Jahrzehnte durchziehst.

Mein Fazit und die praktische Umsetzung

Wie sieht das nun konkret aus? Die praktische Anwendung dieser Philosophie führt zu einem sehr übersichtlichen Portfolio. Natürlich muss so etwas immer individuell angepasst sein – abhängig von Alter, Risikotoleranz und Lebensphase. Aber im Kern besteht meine Strategie aus nur wenigen Hauptbestandteilen, ganz im Sinne der "Simplizität":

Bei mir sieht das zum Beispiel so aus – ein mögliches Beispiel, kein Anlagevorschlag:
  • ca. 70 % breit gestreute, global diversifizierte Aktien-ETFs: um am weltweiten Wirtschaftswachstum teilzuhaben.
  • ca. 20 % kurzlaufende europäische Staatsanleihen: als Sicherheitsanker und um Schwankungen abzufedern (im eigenen Währungsraum).
  • ca. 10 % Rohstoffe und Fremdwährungen: als zusätzliche Diversifikation.
Mehr braucht es nicht: keine heißen Wetten, kein ständiges Hin und Her. Einfach, robust, effektiv.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.

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