Lithiumorotat vs. Lithiumcarbonat: Unterschiede in Wirkung und Verteilung bei Alzheimer. Blog#221

Lithiumpräparate haben seit Jahrzehnten einen festen Platz in der Psychiatrie. Klinisch etabliert ist Lithiumcarbonat (LiC), das seit den 1970er-Jahren in vielen Ländern zur Behandlung bipolarer Störungen zugelassen ist. Lithiumorotat (LiO) hingegen besitzt keinen Arzneimittelstatus: In der EU, einschließlich Deutschland, darf es weder als Medikament noch als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden; in den USA ist es zwar als ‚dietary supplement‘ im Handel, jedoch ohne FDA-Zulassung.

Trotz fehlender Zulassung wird LiO seit den 1970er-Jahren kontrovers diskutiert. Neuere präklinische Studien zu Alzheimer, die ich in Blog#219 und Blog#220 vorgestellt habe, deuten darauf hin, dass das begleitende Anion – Orotat im Unterschied zu Carbonat – die Gewebeverteilung von Lithium beeinflussen könnte. Sollte sich dies in klinischen Studien bestätigen, wäre es von grundsätzlicher Bedeutung für zukünftige Therapieansätze.

Salzform und Dissoziation – mehr als nur eine Begleiterscheinung?

Lithium liegt stets als Kation (Li⁺) vor; welche Rolle dem Gegenion zukommt, ist jedoch nicht trivial.
  • Lithiumcarbonat dissoziiert unter physiologischen Bedingungen nahezu vollständig. Das frei solvatisierte Li⁺ verteilt sich unspezifisch im Extrazellulärraum, wo es auch an polyanionische Strukturen (z. B. Amyloid‑β‑Aggregate, Bestandteile der extrazellulären Matrix) binden kann.
  • Lithiumorotat dissoziiert möglicherweise nicht vollständig; ein Teil kann als Ionenpaar oder Assoziationskomplex vorliegen. Weiterhin ist Orotat selbst ein Zwischenprodukt des Pyrimidin‑Stoffwechsels und wird über Transporter für organische Anionen und Nukleobasen aufgenommen. Ob dabei tatsächlich LiO als intakter Komplex transportiert wird, ist allerdings bislang noch nicht experimentell belegt.

Unterschiede in der Verteilung und der Wirkung – Tiermodelle mit Alzheimer‑Mäusen

In transgenen Alzheimer‑Mausmodellen (3xTg, J20) wurden deutliche Unterschiede zwischen LiC und LiO berichtet (LINK):
  • LiC → ausgeprägte Anreicherung von Lithium in Aβ‑Plaques; im angrenzenden Parenchym ist weniger frei verfügbares Li⁺ vorhanden.
  • LiO → geringere Plaque‑Bindung; höhere Li⁺‑Verfügbarkeit im nicht‑Plaque‑Gewebe.
Bei Lithiumorotat (LiO) waren diese Unterschiede in der Verteilung verbunden mit klaren Vorteilen in präklinischen Modellen: weniger Amyloid- und Tau-Ablagerungen, stabilere Synapsen, eine intakte Myelinstruktur und bessere kognitive Leistungen. 

Bemerkenswert ist, dass dies bereits mit extrem niedrigen Lithiumdosen erreicht wurde (≈ 4,3 µM, entsprechend etwa 0,03 mg pro Liter Trinkwasser). Unter denselben Bedingungen zeigte Lithiumcarbonat (LiC) dagegen keine signifikanten Effekte – trotz vergleichbarer Lithiumspiegel im Blut und im Gesamtgehirn.

Hypothesen zur Wirkweise

Eine mögliche Erklärung für den Vorteil von Lithiumorotat liegt in der Orotat-Komponente. Orotsäure ist ein natürlicher Stoff, den unser Körper beim Aufbau von Erbsubstanz (DNA und RNA) nutzt. Über spezielle Transportwege könnte sie dabei helfen, Lithium im Gehirn besser zu verteilen.
  • Mehr Wirkung im gesunden Gehirn: In Tierversuchen zeigte sich, dass bei Lithiumorotat mehr Lithium in gesunde Hirnregionen gelangt, während weniger an die krankhaften Ablagerungen (Amyloid-Plaques) gebunden wird. Diese Plaques sind stark negativ geladen und können Lithium-Ionen anziehen und festhalten. Lithiumorotat bindet jedoch schwächer daran, sodass mehr Lithium frei bleibt.
  • Möglicher Mechanismus: Diskutiert wird zusätzlich die Hypothese, dass Orotsäure über eigene Transportproteine oder Rezeptoren in Zellen aufgenommen wird und dabei das Lithium-Ion „mitschleust“. Das könnte die günstigere Verteilung erklären.
  • Noch nicht bewiesen: Ob Orotsäure Lithium tatsächlich gezielt in Nervenzellen einschleust, ist bislang nicht wissenschaftlich belegt. Sicher ist bisher nur, dass die Effekte in präklinischen Alzheimer-Modellen beobachtet wurden, nicht aber beim Menschen.
Kurz gesagt: Lithiumorotat scheint das Lithium im Gehirn besser „dorthin zu bringen, wo es gebraucht wird“ – durch weniger Bindung an negativ geladene Plaques und möglicherweise durch einen speziellen Orotat-Transportweg. Ob das auch beim Menschen gilt, muss noch erforscht werden.

Zudem zeigten sich in den LiO-Behandlungsarmen stärkere Effekte auf bekannte molekulare Zielstrukturen – etwa auf GSK3β, ein Schlüsselenzym in der Tau-Pathologie, das durch Lithium gehemmt wird. Da GSK3β die krankhafte Veränderung von Tau-Proteinen fördert, gilt seine Hemmung als möglicher Ansatzpunkt zur Verlangsamung neurodegenerativer Prozesse.

Fazit und Ausblick

  • Daten aus Alzheimer-Mausmodellen belegen, dass Lithiumorotat (LiO) bereits in sehr niedrigen Dosen deutlich stärkere pharmakologische Effekte erzielt als Lithiumcarbonat. Dies deutet darauf hin, dass das begleitende Anion die Verteilung und lokale Verfügbarkeit von Lithium maßgeblich beeinflusst.
  • Ob und in welchem Umfang sich diese Befunde auf den Menschen übertragen lassen, ist bislang unklar. Zur Klärung sind sorgfältig konzipierte klinische Studien erforderlich.


_____________________________________
Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.





Posts

Steueroptimierung für Dein Aktien-ETF-Portfolio! Blog#87

Der Interne Zinsfuß und seine Bedeutung für Aktien-Anleger! Blog#67

Vermögensaufbau und Altersvorsorge – meine Erfahrungen der letzten 35 Jahre! Blog#2

Paxlovid - eine hochwirksame Pille für Covid-19? Blog#1

Aktien-Weltportfolio mit ETFs! Blog#45

Wegovy® (Semaglutid) - ein neues, gut wirksames Medikament zur Gewichtsreduktion! Blog#13

NNC2215: Ein intelligentes Insulin zur Transformation der Diabetesbehandlung! Blog#127

„Die with Zero“: Die Kunst, Geld für Lebenserlebnisse zu nutzen. Blog#92

Persönlicher Rückblick auf das Börsenjahr 2024 und Ausblick 2025! Blog#144

Overnight Oats: Wissenschaftliche Erkenntnisse zu gesunden Haferflocken. Blog#151