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Warum die Welt blau ist. Blog#235

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Blau ist die seltenste aller Farben in der Natur – und doch umgibt sie uns überall. Der Himmel, das Meer, die Flügel des Morpho-Schmetterlings oder das Gefieder des Eisvogels leuchten in unzähligen Schattierungen von Azur bis Ultramarin. Doch kaum ein Lebewesen produziert „blau“ durch Farbstoffe. Meist entsteht es durch reine Physik – durch Streuung, Interferenz oder komplexe Nanostrukturen, die das Licht so lenken, dass nur die kurzwelligen, energiereichen Anteile zu uns gelangen. Blaues Licht liegt im sichtbaren Bereich zwischen etwa 450 und 495 Nanometern – energiereich und kurzlebig. Der Himmel erscheint blau, weil die winzigen Luftmoleküle des Atmosphäre-Gases kurzwelliges Licht rund viermal stärker streuen als langwelliges rotes. Diese sogenannte Rayleigh-Streuung sorgt dafür, dass der Taghimmel in sanftem Blau erstrahlt, während beim Sonnenuntergang nur noch die langwelligen roten Anteile übrig bleiben. Auch Wasser filtert das Sonnenlicht nach seiner Wellenlänge: Rot und Gelb we...

Unerwarteter Durchbruch: COVID-19 mRNA-Impfstoffe entfesseln neues Potenzial in der Krebstherapie. Blog#234

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Die Behandlung fortgeschrittener Krebserkrankungen bleibt eine der größten Herausforderungen der modernen Medizin. In den letzten Jahren hat die Immuntherapie, insbesondere der Einsatz von sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICIs), vielen Patienten neue Hoffnung gegeben. Zu den bekanntesten ICIs zählen Antikörper gegen PD-1 (z. B. Nivolumab, Pembrolizumab) und gegen PD-L1 (z. B. Atezolizumab, Durvalumab), die die Bremsmechanismen des Immunsystems aufheben und so T‑Zellen zur Krebsbekämpfung aktivieren. Doch trotz dieser Fortschritte spricht ein beträchtlicher Teil der Betroffenen nicht auf die Behandlung an. Jetzt haben Forscher eine völlig unerwartete und bahnbrechende Entdeckung gemacht, die aus einem völlig anderen medizinischen Feld stammt: Die gängigen COVID-19-mRNA-Impfstoffe, die entwickelt wurden, um eine globale Pandemie zu bekämpfen, entfesseln eine bemerkenswerte synergetische Kraft, wenn sie mit Krebsimmuntherapien kombiniert werden . Dieser Zufallsfund hat das Potenz...

Künstliche Intelligenz in der Chemie: Wie intelligent sind große Sprachmodelle wirklich? Blog#233

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Die Leistungsfähigkeit großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) in der Chemie hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. LLMs sind KI-Systeme, die auf riesigen Textmengen trainiert werden und dadurch Sprache, Wissen und Zusammenhänge erfassen und wiedergeben können. Bekannte Beispiele sind ChatGPT oder Claude. Eine im Mai 2025 im renommierten Fachjournal Nature Chemistry veröffentlichte Studie ( LINK ) gibt nun erstmals einen umfassenden Einblick, wie gut diese Systeme tatsächlich in der Lage sind, chemisches Wissen nicht nur zu reproduzieren, sondern auch wissenschaftlich anzuwenden und zu interpretieren. Dafür entwickelte ein internationales Forschungsteam die Benchmark-Plattform  ChemBench , die über 2.700 realitätsnahe Aufgaben aus allen Bereichen der Chemie umfasst. Ziel war es, die Leistungsfähigkeit und Denkweise moderner KI-Modelle im direkten Vergleich mit menschlichen Chemikern zu untersuchen. KI-Modelle übertreffen Expertenwissen – wenn auch mit Einschränk...

Renditefalle Emotion – warum Psychologie über Vermögen entscheidet. Blog#232

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Der gefährlichste Gegner des Anlegers ist selten der Markt – meist ist es der eigene Kopf. Kursschwankungen sind harmlos im Vergleich zu den Ausschlägen unserer Gefühle. Gier, Angst und Selbstüberschätzung verzerren Urteile, steuern Entscheidungen und erzeugen Verhaltensmuster, die Rendite kosten. Diese „Renditefalle Emotion“ folgt klaren psychologischen Mechanismen – wer sie kennt, kann sie steuern. Das Duell der Systeme: Rationale vs. Intuitive Entscheidungsfindung Die Verhaltensökonomie nach Daniel Kahneman differenziert zwei fundamentale Systeme, die menschliches Denken und somit Anlageentscheidungen prägen: 1. System 1 (Intuition und Emotion) : Dieses System arbeitet schnell, intuitiv und emotional. Es erzeugt reflexartige Reaktionen und fühlt sich kognitiv leicht an . Am Kapitalmarkt äußert sich seine Dominanz in irrationalem Verhalten wie Panikverkäufen, impulsiver Gier oder unkritischem Vertrauen in externe Experten. 2. System 2 (Analyse und Rationalität) : Dieses System arbeit...

Chemie-Nobelpreis 2025: Architektur des Unsichtbaren – Wie Metall-Organische Gerüste (MOFs) die Chemie verändern. Blog#231

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Der Chemie-Nobelpreis 2025 geht an Susumu Kitagawa, Richard Robson und Omar M. Yaghi – sie haben mit den Metall-Organischen Gerüsten (Metal–Organic Frameworks, MOFs) eine völlig neue Klasse von Materialien geschaffen. MOFs sind künstlich aufgebaute „molekulare Architekturen“ mit außergewöhnlich hoher Porosität – ein Gramm davon kann eine innere Oberfläche größer als ein Fußballfeld besitzen. Diese enorme Fläche entsteht durch Milliarden winziger Hohlräume, deren Größe, Form und chemische Eigenschaften sich präzise steuern lassen. Man kann sich MOFs wie hochgeordnete Schwämme vorstellen, aufgebaut aus metallischen Knotenpunkten und organischen Verbindungsstücken. Ihre Poren lassen sich gezielt so gestalten, dass sie Moleküle aufnehmen, speichern oder freisetzen können – ein ideales Werkzeug für Chemiker, die Stoffe selektiv binden oder umwandeln möchten. Von Berliner Blau zur retikulären Chemie Ein frühes Beispiel solcher Netzwerkstrukturen war das Pigment Berliner Blau, das bereits im ...

Vier Aminosäuren, die das Altern bremsen – was wir vom Nacktmull lernen können. Blog#230

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Die Suche nach dem Schlüssel zu einem langen und gesunden Leben fasziniert die Menschheit seit jeher. Während wir nach Wegen suchen, den Alterungsprozess zu verlangsamen, bietet die Natur selbst oft die erstaunlichsten Lösungen. Eines der faszinierendsten Beispiele liefert der Nacktmull (Heterocephalus glaber).  Dieses unscheinbare Nagetier aus Ostafrika kann bis zu 40 Jahre alt werden – das Zehnfache (!) seiner ähnlich großen Verwandten – und zeigt eine beeindruckende Resistenz gegenüber Krebs und typischen Alterskrankheiten. Eine aktuelle in Science veröffentlichte Studie ( LINK ) enthüllt nun ein zentrales Puzzlestück: eine modifizierte Version des Proteins cGAS, das bei Menschen und Mäusen als Bremse der DNA-Reparatur wirkt, beim Nacktmull jedoch zum Reparatur-Beschleuniger wird. Vom DNA-Sensor zum Reparatur-Booster cGAS (cyclic GMP–AMP synthase) ist in Säugetieren vor allem als Wächter des angeborenen Immunsystems bekannt. Es erkennt DNA-Fragmente, die sich außerhalb des Zell...