Anleihenstrategie in der Entnahmephase: Stabilität und Flexibilität für den Ruhestand. Blog#213

Mit Beginn der Entnahmephase ändert sich der Fokus vieler Anleger: Statt Vermögen anzusparen, geht es nun darum, das Ersparte planvoll zu nutzen. Im Mittelpunkt stehen finanzielle Stabilität, verlässliche Auszahlungen und der Erhalt des Kapitals – nicht mehr maximales Wachstum.

Anleihen übernehmen dabei eine zentrale Rolle. Während mein aktuelles Portfolio fast ausschließlich aus global diversifizierten Aktien-ETFs besteht, plane ich für die Entnahmephase eine Umschichtung: Etwa 80 % bleiben in Aktien-ETFs, rund 20 % werden als Sicherheitsbaustein in Anleihen und Geldmarktfonds investiert.

Diese Komponente soll kurzfristige Schwankungen abfedern, regelmäßige Erträge liefern und in turbulenten Marktphasen den Kapitalerhalt unterstützen. Die geringe Volatilität und – oft – die negative Korrelation zu Aktien machen Anleihen attraktiv. Ziel ist nicht eine überdurchschnittliche Rendite, sondern zumindest ein Ausgleich der Inflation – wobei dies nicht garantiert werden kann. Eine jährliche Überprüfung stellt sicher, dass die Schutzfunktion erhalten bleibt.

Neue Anforderungen an Sicherheit

Die Ereignisse 2022 haben gezeigt, dass Anleihen nicht immer ein sicherer Hafen sind. Steigende Inflation und Zinsen führten zu Kursverlusten bei Aktien und Anleihen. Der Sicherheitsbaustein im Portfolio ist heute also nicht nur gegen Aktiencrashs abzusichern, sondern muss auch gegen abrupte Zinsanstiege infolge hoher Inflation bestehen können. Es geht darum, in jeder Marktlage verlässlich Liquidität bereitzustellen – gerade auch dann, wenn klassische Korrelationen nicht mehr greifen.

Das sogenannte Zinsänderungsrisiko – also die Empfindlichkeit von Anleihen gegenüber Zinsveränderungen – wird durch die Kennzahl "Duration" beschrieben. Je kürzer die Duration, desto weniger reagiert der Kurs auf Zinsänderungen. Für die Entnahmephase sind daher Anleihen mit kurzer Duration (Restlaufzeit unter 3 Jahren) besonders geeignet.

Anforderungen an den Sicherheitsbaustein
  • Kapitalerhalt auch bei längeren Börsenbaissen (3–5 Jahre)
  • Regelmäßige, planbare Entnahmen als Liquiditätsquelle
  • Sehr hohe Sicherheit: Investment-Grade-Staatsanleihen in Euro (z. B. Deutschland, Frankreich, EU) oder €STR-Geldmarktfonds
  • Geringe Schwankungen: Möglichst kurze Restlaufzeiten
  • Kein Währungsrisiko: Nur Euro-Investments
  • Günstige und liquide Umsetzung: ETFs ermöglichen tägliche Handelbarkeit und niedrige Kosten

Geeignete und weniger geeignete Anlagen

€STR-Geldmarktfonds: Abbildung des kurzfristigen EZB-Referenzzinses, sehr hohe Stabilität, tägliche Liquidität (z. B. Xtrackers II Euro Overnight Rate Swap ETF, Amundi EUR Overnight Return ETF). 

Kurzlaufende Euro-Staatsanleihen: Diese Anleihen stammen aus Euro-Staaten mit hoher Bonität wie Deutschland oder Frankreich. Besonders geeignet sind Laufzeiten von 1 bis 3 Jahren: Sie bieten etwas mehr Zinsen als Geldmarktfonds, bleiben aber relativ stabil bei Zinsänderungen. Kürzere Laufzeiten sind noch sicherer, aber kaum rentabler als Geldmarktfonds. Längere Laufzeiten (über 5 Jahre) bringen zwar höhere Kupons, reagieren jedoch empfindlich auf Zinsanstiege – was sie für den Sicherheitsbaustein weniger geeignet macht.

Unternehmensanleihen: Sie bieten höhere Renditen, gehen aber mit größerem Risiko einher – insbesondere bei Marktturbulenzen. In Stressphasen weiten sich die Kreditrisikoprämien („Spreads“) oft stark aus. Für sicherheitsorientierte Anleger sind sie daher nur eingeschränkt zu empfehlen.

Beispielhafte Portfolios für maximale Sicherheit

Portfolio 1: Maximale Stabilität
  • 100 % €STR-Geldmarktfonds (z.B. Xtrackers II EUR Overnight Rate Swap, ISIN: LU0290358497; aktueller Zinssatz 1,92%)
Ziel: Kapitalerhalt, minimale Schwankungen
Vorteil: Sehr hohe Sicherheit
Nachteil: Kaum Rendite, sinkt bei fallenden Leitzinsen

Portfolio 2: Ausgewogene Sicherheit
  • 50 % €STR-Geldmarktfonds (z.B. Xtrackers II EUR Overnight Rate Swap, ISIN: LU0290358497; aktueller Zinssatz 1,92%)
  • 50 % kurzlaufende Euro-Staatsanleihen (z. B. iShares Euro Govt 1–3yr ETF, ISIN: IE00B14X4Q57; aktuelle Ausschüttungsrendite: 2,82%)
Ziel: Stabilität bei etwas besserer Verzinsung
Vorteil: Gute Balance zwischen Sicherheit und Ertrag
Nachteil: Leicht erhöhte Volatilität

Portfolio 3: Moderate Rendite
  • 30 % €STR-Geldmarktfonds  (z.B. Xtrackers II EUR Overnight Rate Swap, ISIN: LU0290358497; aktueller Zinssatz 1,92%)
  • 50 % kurzlaufende Staatsanleihen (z. B. iShares Euro Govt 1–3yr ETF, ISIN: IE00B14X4Q57; aktuelle Ausschüttungsrendite: 2,82%)
  • 20 % mittelfristige Staatsanleihen (z.B iShares Euro Government Bond 3–5yr UCITS ETF, ISIN: IE00B1FZS681; aktuelle Ausschüttungsrendite: 2,63 %)
Ziel: Etwas höhere laufende Verzinsung
Vorteil: Attraktiver Zinsmix
Nachteil: Höhere Kursschwankungen bei Zinsanstieg

Brokerwahl und Steuern

Für die Umsetzung eignen sich kostengünstige Online-Broker wie:
  • Scalable Capital: Sehr günstige, teilweise kostenlose Ordermodelle; niedrige laufende Kosten (TER < 0.3% p.a.)
  • Trade Republic: Einfache App, 1 € pro Trade, niedrige laufende Kosten (TER < 0.3% p.a.)
Beide Anbieter sind reguliert (BaFin), unterliegen der Einlagensicherung und ermöglichen eine einfache, günstige Umsetzung.

Steuerliche Aspekte: Erträge aus Anleihen und Geldmarktfonds unterliegen der Abgeltungsteuer. Die steuerliche Behandlung sollte bei der Planung berücksichtigt werden.

Fazit: Sicherheit mit Augenmaß

  • Kurzlaufende Staatsanleihen und €STR-Geldmarktfonds bilden einen robusten Sicherheitsbaustein für die Entnahmephase. Sie bieten Stabilität, Liquidität und Transparenz – auch wenn sie meist nur einen Inflationsausgleich ermöglichen. 
  • Für Anlegerinnen und Anleger mit Fokus auf Planbarkeit und Kapitalerhalt bietet Portfolio 2 eine sinnvolle Lösung: Es ist unkompliziert in der Umsetzung, effizient strukturiert und trägt dazu bei, auch in Krisenzeiten Stabilität und Übersicht zu bewahren.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.

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