Warum der globale Aktienmarkt langfristig wächst – und warum unsere Intuition uns dabei häufig täuscht. Blog#239

Dieser Text basiert auf einem ausführlicheren Beitrag von Gerd Kommer (hier).

Wenn Aktienmärkte über Jahre steigen, fragen sich viele: Kann das ewig so weitergehen? Intuitiv erscheint die Antwort „Nein“. Doch dieses Bauchgefühl trügt – zumindest, wenn es um den weltweit diversifizierten Aktienmarkt geht. Entscheidend ist, welche Fundamentalfaktoren langfristig steigende reale Renditen ermöglichen.

1. Global statt national denken

Einzelne Märkte können dauerhaft scheitern – der Weltmarkt als Ganzes jedoch nicht. Verschiedene historische Beispiele zeigen das in unterschiedlicher Form: Russland nach der Revolution von 1917 und China nach 1949 verloren ihre Kapitalmärkte über Jahrzehnte hinweg vollständig, während Japan seit 1989 trotz marktwirtschaftlicher Kontinuität unter anhaltender Stagnation leidet. Wer allein auf den Heimatmarkt setzt, begeht einen Denkfehler: Nur der globale Markt spiegelt die wirtschaftliche Aktivität der gesamten Menschheit wider. Börsennotierte Unternehmen stellen zwar weniger als 0,1 % aller Firmen, erwirtschaften aber etwa 30 % der globalen Gewinne – die Quelle von Dividenden und Kurswachstum. Globale Streuung kompensiert Ausfälle einzelner Länder durch Wachstum anderer Regionen – ein Mechanismus, der über Jahrhunderte funktioniert hat.

2. Weltwirtschaftswachstum als Fundament

Dauerhaft steigende Aktienkurse setzen anhaltendes Produktivitätswachstum voraus. Die historische Datenlage spricht dafür: Vor 1800 lag das reale Weltwirtschaftswachstum bei etwa 0,1 % jährlich. Seit Beginn der Industrialisierung beträgt es im Schnitt rund 2,3 %. Technologische Innovation, Energie, Medizin, Bildung und heute künstliche Intelligenz erhöhen die Produktivität – und damit Einkommen, Gewinne und Börsenwerte.

Solange die Welt im Schnitt produktiver wird, können globale Aktien real weiter steigen – trotz gelegentlicher Krisen.

Drei Denkfehler, die unser Urteil systematisch verzerren

Bevor wir weitermachen, lohnt ein kurzer Blick auf die Ursachen unserer intuitiven Fehlwahrnehmung. Trotz klarer langfristiger Daten – kontinuierliches Weltwirtschaftswachstum und stabile reale Renditen globaler Aktien – erscheint vielen Anlegern dieser Trend „unplausibel“. Die Antwort liegt in einer Reihe kognitiver Verzerrungen, die unsere Intuition regelmäßig in die Irre führen.
  1. Exponentielle Prozesse: Lineare Charts lassen Wachstum „explosiv“ aussehen. Auf logarithmischen Skalen zeigt sich dagegen ein stabiler Trend – kein Anzeichen von Instabilität.
  2. Allzeithochs: Neue Rekorde sind kein Warnsignal, sondern der Normalfall steigender Märkte. Der MSCI World markierte allein zwischen 2021 und 2025 über 100 Allzeithochs.
  3. „Aktien dürfen nicht stärker wachsen als das BIP“: Diese Aussage klingt logisch, ist aber fachlich falsch. Sie übersieht, dass ein großer Teil der Aktienerträge – Dividenden, Steuern und Gebühren – gar nicht im Markt verbleibt, sondern an Anleger und Staat abgeflossen wird. Außerdem trägt Eigenkapital das höchste Risiko aller Einkunftsarten und muss deshalb langfristig eine höhere Rendite liefern als der gesamtwirtschaftliche Durchschnitt. Die Differenz zwischen Aktienrenditen und BIP-Wachstum ist daher nicht nur möglich, sondern ökonomisch zwingend.

In einem normalen Chart wirkt die Entwicklung des US-Aktienmarkts der letzten 155 Jahre schnell wie eine „Explosion“. Auf einer logarithmischen Skala zeigt sich jedoch: Der Trend ist stabil und gleichmäßig – kein Chaos, keine Überhitzung.

Wie sind Aktien heute bewertet?

Bevor wir von den theoretischen Grundlagen zu den praktischen Konsequenzen übergehen, lohnt ein Blick auf die aktuelle Marktbewertung. Denn selbst wenn langfristige Trends eindeutig sind, fragen sich viele Anleger zu Recht: Ist der Markt heute vielleicht bereits überhitzt – und wäre das ein Widerspruch zur zuvor beschriebenen Stabilität?

Forward-KGVs bieten einen schnellen Realitätscheck: Dabei handelt es sich um das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der erwarteten Unternehmensgewinne der kommenden zwölf Monate. Per 31.10.2025 zeigt sich folgendes Bild: Der MSCI World weist ein Forward-KGV von etwa 20,4 auf, was über dem langjährigen Durchschnitt (ca. 15–17) liegt, aber noch unter extremen Höchstständen vergangener Marktphasen bleibt. Der europäische Markt (MSCI Europe) ist mit rund 14,6 deutlich günstiger bewertet, während der US-Markt (S&P 500) mit circa 22,9 am teuersten erscheint, bedingt durch hohe Gewinnerwartungen und die Dominanz großer Technologiewerte. Die Schwellenländer (MSCI Emerging Markets) liegen mit einem Forward-KGV um etwa 13,5 noch unter dem europäischen Niveau, was auf attraktive Bewertungsmöglichkeiten hindeutet.

Insgesamt signalisiert das Bewertungsbild eine leicht erhöhte Bewertung bei globalen Aktien, ohne jedoch klare Blasensignale zu geben. Eine breite globale Diversifikation bleibt ratsam, wobei regionale Bewertungen durchaus eine gewichtete Berücksichtigung günstigerer Regionen wie Europa und Schwellenländer nahelegen.

Was heißt das praktisch für Anleger?

  • Global diversifizieren. Einzelne Volkswirtschaften können scheitern – der Weltmarkt überlebt.
  • Allzeithochs gelassen sehen. Sie sind Bestandteil des normalen Wachstumsprozesses.
  • Exponentielles Wachstum verstehen. Mathematische Skalenverzerrung ist kein Marktsignal.
  • Langfristig investiert bleiben. Rendite entsteht durch Geduld, nicht durch Markt-Timing.
  • Zukunftsthemen beobachten. Demografie, Verschuldung, Technologie und Produktivität bestimmen die langfristigen Wachstumspfade.

Fazit

  • Ja, der globale Aktienmarkt kann real „ewig steigen“ – im Sinne dauerhafter Wertsteigerung über Generationen. Nationale Märkte sind verletzlich, der Weltmarkt ist stabil.
  • Missverständnisse über exponentielles Wachstum erzeugen die Illusion von Gefahr, wo Stabilität herrscht.
  • Für Anleger gilt daher: global streuen, rational bleiben, langfristig denken.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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