Warum Katzen Gras fressen – aktuelle Evidenz zur Haarballen-Hypothese. Blog#225

Fast jeder Katzenhalter kennt das Szenario: Die Katze mümmelt an einem Grashalm, kaut darauf – und kurze Zeit später liegt ein Haarballen auf dem Teppich. Aber wozu das Ganze? Neue Untersuchungen deuten darauf hin, dass Gräser den Tieren helfen könnten, Haare, die sie verschluckt haben, effizienter loszuwerden.

Hintergrund

Dass Fleischfresser (Carnivoren) gelegentlich pflanzliches Material aufnehmen, ist in verschiedenen Tierarten dokumentiert. Zwei Hauptgedanken existieren, um das Phänomen zu erklären:
  • Parasiten-Hypothese: Pflanzliche Fasern könnten dazu beitragen, Parasiten (z. B. Würmer) im Verdauungstrakt mechanisch zu stören oder deren Ausscheidung zu fördern. Hinweise dazu stammen aus Beobachtungen bei Wölfen oder Schimpansen.
  • Haarballen-Hypothese: Pflanzenfasern erleichtern das Zusammenlagern verschluckter Haare (Aggregieren) und deren anschließende Ausscheidung. Diese Haare stammen vor allem von der Fellpflege, können aber auch durch das Fressen von Beutetieren aufgenommen werden.
Bislang gab es nur wenige direkte mikroskopische Belege, dass Pflanzenstrukturen wirklich an der Haarentfernung mitwirken.

Neue Studie: Methoden und Befunde

Ein Team der High Point University (North Carolina, USA) untersuchte sechs Haarballenproben von Hauskatzen. Die Proben wurden getrocknet, mit einer hauchdünnen Goldschicht überzogen und im Rasterelektronenmikroskop betrachtet. Diese Beschichtung macht die Oberfläche elektrisch leitfähig, wodurch die Strukturen im Mikroskop besser sichtbar werden. So gelang der Blick auf die feinen Oberflächenstrukturen von Pflanzen und Haaren (LINK).

In den Bildern sah man Pflanzenoberflächen mit Merkmalen wie:
  • Serrationen (sägezahnartige Kanten)
  • Trichomen (feine Haar- oder Borstenstrukturen auf den Pflanzenteilen)
  • Zahlreiche Katzenhaare (Durchmesser ~ 25 µm) waren an diesen Oberflächen fixiert.

Eine ergänzende molekulare Analyse mittels DNA-Barcoding identifizierte Pflanzenreste aus verschiedenen Familien, darunter:
  • Poaceae (Süßgräser wie Weizen oder Hafer)
  • Commelinaceae (Commelinengewächse, zum Beispiel die Zimmerpflanze Dreimasterblume, mit grasähnlichen Blättern)
  • Araceae (z. B. Aronstabgewächse)
  • Lauraceae (Lorbeergewächse, darunter z. B. Lorbeer und Avocado)
Allen gemeinsam war eine relativ starke Oberflächenrauigkeit, die vermutlich förderlich für das „Haare Festhalten“ ist. Die Befunde stützen die Idee, dass pflanzliche Mikrostrukturen als mechanische Fixierungspunkte für Haare dienen und so die Bildung eines kompakten Haarballens erleichtern.

Interpretation

Die neuen Befunde verschieben die Balance mehr in Richtung der Haarballen-Hypothese. Pflanzenstrukturen könnten Haare tatsächlich aktiv „festhalten“ und so die Aggregation erleichtern, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass gut komprimierte Haarballen durch Erbrechen entfernt werden.

Die Parasiten-Hypothese wird durch diese Daten weniger gestützt – Parasiten wie Nematoden oder Bandwürmer haben typischerweise Größen, die weit über den Dimensionen liegen, an denen pflanzliche Mikrostrukturen operieren. Dennoch kann man einen indirekten Effekt nicht ausschließen, etwa dass das Kauen von Gras die Darmbewegung (Motilität) stimuliert.

Offene Fragen

Wählen Katzen tatsächlich gezielt Pflanzen mit rauer Oberfläche aus? Hinweise darauf gibt es – etwa durch die sogenannte Vibrissenkontrolle, also die Nutzung der empfindlichen Tasthaare an Schnauze und Gesicht, mit denen Katzen ihre Umgebung genau wahrnehmen. Systematische Studien dazu fehlen jedoch bislang. Eine weitere offene Frage ist, ob Pflanzenfasern nicht nur das Erbrechen von Haarballen erleichtern, sondern auch den Transport verschluckter Haare durch den Darm und deren Ausscheidung mit dem Kot unterstützen. Und schließlich bleibt zu klären, wie vielfältig die Pflanzenpräferenzen sind: Greifen Katzen im Freigang auf ein breites Spektrum an Wildpflanzen zurück, während sie in der Wohnung eher Zimmerpflanzen nutzen?

Relevanz für die Praxis

Für Tierhalter haben die Ergebnisse praktische Bedeutung. Haarballenbildung kann ein gesundheitliches Risiko darstellen, insbesondere wenn es zu Verstopfungen kommt. Neben kommerziellen Futtermitteln mit zugesetzten Ballaststoffen könnte der Zugang zu geeigneten Pflanzen eine zusätzliche, natürliche Maßnahme zur Reduzierung der Haarakkumulation sein.

Dabei ist zu beachten, dass zahlreiche Zimmerpflanzen toxisch für Katzen sind (z. B. Lilien, Philodendron, Dieffenbachia). Empfehlenswert sind gezielt für Katzen kultivierte Gräser wie Zyperngras oder handelsübliche Katzengrasmischungen.

Fazit

Die neue Studie liefert erstmals mikroskopische Belege dafür, dass Pflanzenmikrostrukturen Haare mechanisch festhalten und die Bildung von Haarballen begünstigen. Damit erhält die Haarballen-Hypothese starke Unterstützung. Um jedoch die physiologische Bedeutung dieses Verhaltens – wie häufig es angewandt wird, welche Pflanzen bevorzugt werden, wie effizient der volle Eliminationsweg ist – endgültig zu klären, braucht es größere Probenzahlen und verhaltensbiologische Experimente.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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