Chemie-Nobelpreis 2025: Architektur des Unsichtbaren – Wie Metall-Organische Gerüste (MOFs) die Chemie verändern. Blog#231

Der Chemie-Nobelpreis 2025 geht an Susumu Kitagawa, Richard Robson und Omar M. Yaghi – sie haben mit den Metall-Organischen Gerüsten (Metal–Organic Frameworks, MOFs) eine völlig neue Klasse von Materialien geschaffen.

MOFs sind künstlich aufgebaute „molekulare Architekturen“ mit außergewöhnlich hoher Porosität – ein Gramm davon kann eine innere Oberfläche größer als ein Fußballfeld besitzen. Diese enorme Fläche entsteht durch Milliarden winziger Hohlräume, deren Größe, Form und chemische Eigenschaften sich präzise steuern lassen.

Man kann sich MOFs wie hochgeordnete Schwämme vorstellen, aufgebaut aus metallischen Knotenpunkten und organischen Verbindungsstücken. Ihre Poren lassen sich gezielt so gestalten, dass sie Moleküle aufnehmen, speichern oder freisetzen können – ein ideales Werkzeug für Chemiker, die Stoffe selektiv binden oder umwandeln möchten.

Von Berliner Blau zur retikulären Chemie

Ein frühes Beispiel solcher Netzwerkstrukturen war das Pigment Berliner Blau, das bereits im frühen 18. Jahrhundert entdeckt wurde. Seine tiefblaue Farbe beruht auf einem komplexen Gitter aus Eisenionen, verbunden über Cyanid-Brücken – eine der ersten bekannten metallorganischen Gerüststrukturen. Obwohl man die chemische Zusammensetzung damals noch nicht verstand, war Berliner Blau damit ein Vorläufer der modernen Koordinations- und Gerüstchemie.

Erst Ende der 1980er-Jahre gelang es Richard Robson, solche Prinzipien gezielt zu nutzen: Er schuf ein dreidimensionales Kristallgitter mit definierten Hohlräumen – ein künstliches Analogon des Diamantgitters, aufgebaut aus Kupferionen und organischen Liganden. Damit begann die Ära der Chemie, die später zu den modernen Metall-Organischen Gerüsten (MOFs) führte.

In den 1990er-Jahren zeigte Susumu Kitagawa, dass solche Gerüste Gase wie Methan oder Sauerstoff reversibel aufnehmen und wieder freisetzen können, ohne ihre Struktur zu verändern. Omar Yaghi schließlich prägte den Begriff „Metal–Organic Framework“ und begründete die „retikuläre Chemie“ – die systematische Kunst, aus definierten Bausteinen stabile und vorhersagbare Netzwerke zu konstruieren.

Das 1999 entwickelte MOF-5 aus Zink wurde zum Symbol dieser neuen Materialklasse: Es war das erste stabile, klar strukturierte und reproduzierbar herstellbare Metall-Organische Gerüst (MOF) – mit einer spezifischen inneren Oberfläche von etwa 3.000 m²/g, größer als bei jedem zuvor bekannten porösen Material. Dies bewies, dass sich Porosität, Stabilität und Funktion solcher Materialien gezielt planen und miteinander kombinieren lassen – ein entscheidender Durchbruch für das ganze Forschungsfeld.

Die zunächst unglaublich wirkende innere Oberfläche lässt sich wie folgt erklären: MOF-5 verfügt über Poren mit Durchmessern von etwa 1–1,5 nm. Ein Gramm enthält rund 10211021 solcher Poren. Die innere Wandfläche einer einzelnen Pore beträgt näherungsweise 3×1018 m². Die Multiplikation ergibt 1021×3×1018 m² ≈ 3.000 m²/g, was mit Literaturangaben zu MOF-5 korrespondiert. Einige moderne MOFs erreichen sogar spezifische Oberflächen von bis zu 7.000 m²/g.

Warum MOFs die Chemie verändern

MOFs verbinden molekulare Präzision mit makroskopischer Funktion. Sie können Gase speichern, Schadstoffe binden, Reaktionen katalysieren oder als Materialien in Sensoren, Batterien und Wasseraufbereitung dienen. Durch gezielte Modifikationen lassen sich ihre Poren so anpassen, dass etwa CO₂ gebunden, Stickstoff jedoch durchgelassen wird – oder dass Wasser aus trockener Wüstenluft kondensiert. Einige MOFs reagieren dynamisch auf Druck, Temperatur oder Licht und verändern dabei ihre Struktur.

Heute sind über 100.000 MOF-Varianten bekannt. KI-gestützte Modelle beschleunigen die Suche nach neuen Strukturen für Anwendungen von der Gasfiltration bis zur medizinischen Diagnostik.

Unternehmen wie Svante nutzen MOFs zur CO₂-Abscheidung aus Industrieabgasen, NuMat Technologies entwickelt sie zur sicheren Speicherung toxischer Gase. Andere Firmen setzen MOFs in Filtern zur Wasserreinigung oder Lebensmittelkonservierung ein. Besonders für die Wasserstoffwirtschaft gelten sie als Schlüsseltechnologie, da sie Gase unter moderaten Bedingungen speichern können – ein wichtiger Schritt hin zu einer sauberen Energiezukunft.

Ausblick und Fazit

MOFs markieren den Übergang von zufälliger Entdeckung zu planbarem Materialdesign. Sie zeigen, dass Funktion aus Form entsteht – und dass selbst der „leere Raum“ eine gestaltbare Ressource sein kann. Susumu Kitagawa brachte es so auf den Punkt:

„Wenn wir die unsichtbaren Räume zwischen Atomen gestalten lernen, können wir aus Luft wertvolle Materialien schaffen.“

MOFs machen sichtbar, dass Innovation in der Chemie nicht nur aus neuen Molekülen entsteht, sondern aus der Kunst, ihre Anordnung im Raum zu gestalten.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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