Rendite-Reihenfolge-Risiko verstehen: Strategien für sichere Entnahmen im Ruhestand. Blog#226

Wer im Ruhestand regelmäßig aus seinem Vermögen entnimmt, muss nicht nur auf die Rendite achten. Entscheidend ist die Reihenfolge von guten und schlechten Börsenjahren. Tritt zu Beginn der Entnahmephase eine Verlustserie auf, kann das den Kapitalstock dauerhaft schwächen und die finanzielle Sicherheit im Alter gefährden.

Ein Beispiel macht das Problem anschaulich: Zwei Personen starten jeweils mit 500.000 Euro und entnehmen jedes Jahr 20.000 Euro. Beide erzielen über 30 Jahre im Durchschnitt die gleiche Rendite von 7%, allerdings in unterschiedlicher Reihenfolge.
  • Anleger A (blaue Kurve in Abbildung) profitiert zu Beginn von guten Börsenjahren - am Ende stehen rund 1,1 Millionen Euro.
  • Anleger B (rote Kurve in Abbildung) erlebt in den ersten Jahren Verluste. Trotz gleicher Durchschnittsrendite ist sein Kapital nach knapp 30 Jahren aufgebraucht.

Das zeigt: Identische Durchschnittswerte können zu völlig unterschiedlichen finanziellen Ergebnissen führen. Gerade in den ersten Ruhestandsjahren entscheidet sich, ob das Kapital dauerhaft trägt.

Langlebigkeit, Inflation und Lebensstandard sind ohne Frage zentrale Risiken für die Ruhestandsplanung, sie wirken jedoch meist langsam und über viele Jahre. Das Rendite-Reihenfolge-Risiko dagegen kann im ungünstigen Fall sofort und mit voller Wucht zuschlagen.

In diesem Beitrag stelle ich Strategien vor, mit denen sich dieses Risiko gezielt mindern lässt, und erläutere kurz, wie sie sich in der Praxis umsetzen lassen.

Statische Modelle – einfach, aber ungeeignet

Bekannte Ansätze wie die "4-Prozent-Regel" versprechen Planbarkeit: Im ersten Jahr werden 4% des Startvermögens entnommen, der Betrag wird jährlich an die Inflation angepasst – unabhängig von der Markt­entwicklung. Das Problem: Treten gleich zu Beginn Verluste auf, müssen Anteile zu niedrigen Kursen verkauft werden. Damit verstärkt ein fester Entnahmeplan die Wirkung des Rendite-Reihenfolge-Risikos und kann das Kapital schneller aufzehren.

Dynamische Modelle – Anpassung als Schutzschild

Dynamische Entnahmestrategien reagieren flexibel auf die Portfolioentwicklung. Ein bekanntes Beispiel ist die Guardrail-Strategie (entwickelt von den US-Finanzplanern Jonathan Guyton und William Klinger):
  • Zu Beginn wird eine Entnahmerate festgelegt, beispielsweise 4%.
  • Solange der Entnahmeanteil am Depotwert in einer vorher definierten Bandbreite bleibt (etwa 3–5%), bleibt auch die Auszahlung stabil.
  • Sinkt das Portfolio deutlich und die Quote überschreitet die Obergrenze, wird die Entnahme reduziert (z. B. um 10%).
  • Entwickeln sich die Märkte sehr positiv und die Quote fällt unter die Untergrenze, können die Entnahmen moderat erhöht werden.
Der Vorteil: Anleger passen ihr Budget nur an, wenn die Märkte stark schwanken. Dadurch sinkt die Gefahr, das Kapital vorschnell aufzubrauchen, während die Lebensqualität in stabilen Phasen kaum beeinträchtigt wird.

Für einen vertiefenden Einstieg in das Thema empfehle ich folgendes englischsprachiges YouTube-Video: LINK.  

Das 3-Töpfe-System – Sicherheit durch klare Struktur 

Ein weiterer bewährter Ansatz für die Ruhestandsplanung ist das 3-Töpfe-System. Es teilt das Vermögen nach dem jeweiligen Zeithorizont auf: 
  • Topf 1: Liquiditätsreserve für 1–2 Jahre zur Deckung laufender Ausgaben, zum Beispiel über einen Geldmarkt-ETF. 
  • Topf 2: Rücklagen für die folgenden 4–7 Jahre, in der Regel in Anleihen hoher Bonität angelegt. 
  • Topf 3: Der verbleibende Großteil des Vermögens wird in weltweit breit gestreute Aktien-ETFs investiert, die langfristig für Wachstum und Wertsteigerung sorgen. 
In guten Börsenphasen werden Gewinne aus dem Wachstumstopf (Topf 3) genutzt, um die kurzfristige Reserve (Topf 1) wieder aufzufüllen. Entwickeln sich die Märkte schwächer, greift man zunächst auf die Rücklagen in Topf 2 zurück. So bleibt das Aktienvermögen in Topf 3 unangetastet und Zwangsverkäufe in Krisenzeiten werden vermieden – der wichtigste Schutzmechanismus gegen das Rendite-Reihenfolge-Risiko. 

Das 3-Töpfe-System stellt das Verhältnis von Liquidität (Geldmarkt, Anleihen) und Aktieninvestments bewusst auf kurzfristige, mittelfristige und langfristige Bedürfnisse ab. Anleger erkennen auf einen Blick, welche Mittel ihnen in den kommenden Jahren sicher zur Verfügung stehen und welche für die fernere Zukunft bestimmt sind. Das schafft Transparenz, erleichtert Entscheidungen in turbulenten Marktphasen und stärkt die psychologische Stabilität.

Ein fundiertes und zugleich sehr verständliches YouTube-Video von Dr. Andreas Beck, das diese Strategie anschaulich erklärt, findest du hier: LINK.  

Fazit – Die ersten Jahre sind entscheidend

  • Das Rendite-Reihenfolge-Risiko ist kein theoretisches Phänomen, sondern eine reale Herausforderung für jede Ruhestandsplanung – besonders in den ersten Jahren nach dem Renteneintritt.
  • Statische Modelle wie die 4-Prozent-Regel blenden dieses Risiko weitgehend aus. Flexible Ansätze wie Guardrails können es abmildern, während das 3-Töpfe-System zusätzlich den Vorteil bietet, Klarheit und emotionale Stabilität zu schaffen.
  • Ich habe mich persönlich für das 3-Töpfe-System entschieden, weil es eine klare Struktur vorgibt und mit einem einfachen, gut nachvollziehbaren Mechanismus arbeitet.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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