Die Ernährung als Schlüssel zur Erholung des Darmmikrobioms nach Antibiotika. Blog#185

In Deutschland erhält – je nach Datenquelle und Betrachtungsjahr – etwa ein Drittel bis knapp die Hälfte der Krankenversicherten pro Jahr mindestens eine ambulante Antibiotikatherapie. Antibiotika sind oft unerlässlich, stören jedoch das empfindliche Gleichgewicht des Darmmikrobioms und können das Risiko für Infektionen sowie chronische Erkrankungen erhöhen. Eine aktuelle Mausstudie, veröffentlicht im Fachjournal Nature (LINK), liefert hierzu neue, wichtige Erkenntnisse: Nicht die Zufuhr zusätzlicher Bakterien, sondern die Ernährung ist der entscheidende Faktor für eine nachhaltige Erholung des Mikrobioms.

Methodik und Ergebnisse

US-amerikanische Forscher verglichen in einer Mausstudie zwei Ernährungsformen:
  • Ballaststoffreiche Standardkost (15 % Fett, 65 % Kohlenhydrate, 10 % Ballaststoffe; hochgerechnet auf den Menschen ≥ 30 g/Tag Ballaststoffe)
  • Westliche Diät (40 % Fett, 45 % Kohlenhydrate, 5 % Ballaststoffe; hochgerechnet auf den Menschen < 10 g/Tag Ballaststoffe)
Nach drei Tagen oraler Behandlung mit einem Breitband‑Antibiotika‑Cocktail (Ampicillin 1 g/L, Vancomycin 0,5 g/L, Neomycin 1 g/L, Metronidazol 1 g/L im Trinkwasser) wurden an den Tagen 0, 3, 7, 14 und 28 Stuhlproben für mikrobiologische und metabolomische Analysen entnommen.

Die Ergebnisse waren eindeutig: 
  • Mäuse auf ballaststoffreicher Kost zeigten binnen weniger Tage eine vollständige Regeneration der bakteriellen Vielfalt und eine Normalisierung zentraler Metabolite (kurzkettige Fettsäuren). 
  • Unter westlicher Diät blieb die Artenvielfalt über Wochen eingeschränkt, viele Mikrobiom‑Funktionen waren reduziert und die Metabolitproduktion niedrig.
Der Grund für diesen Unterschied liegt in der Syntrophie – der engen Stoffwechselkooperation zwischen Bakterien, bei der ein Organismus Zwischenprodukte liefert, die ein anderer verwertet. Fehlen ausreichend Ballaststoffe, dominieren schnell verfügbare Nährstoffe konsumierende Stämme, sodass funktionelle Redundanz und Stabilität leiden.

Zusätzliche Untersuchung: Stuhltransplantation

Im zweiten Untersuchungsstrang untersuchten die Forscher, ob eine Stuhltransplantation (Fäkaltransplantation, FMT) den Wiederaufbau des Mikrobioms nach Antibiotika fördern kann. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass die Ernährung nach der Behandlung entscheidend ist: Nur bei ballaststoffreicher Kost konnte sich das Mikrobiom unabhängig von der Herkunft der transplantierten Bakterien erholen. Umgekehrt blieb die Erholung unter westlicher Diät selbst dann aus, wenn gesunde Bakterien transplantiert wurden. Dies unterstreicht, dass die Umgebung im Darm – maßgeblich durch die Ernährung geprägt – die entscheidende Rolle spielt und nicht allein die Zufuhr neuer Mikroben.

Diese Ergebnisse stellen auch die weit verbreitete Begeisterung für die Stuhltransplantation als Strategie zur Behebung von Ungleichgewichten in der Darmflora (häufig als Dysbiose bezeichnet) infrage und belegen, dass gezielte diätetische Maßnahmen mindestens eine unerlässliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Stuhltransplantation sind und möglicherweise eine sicherere, natürlichere und weniger invasive Alternative darstellen.

Klinische Relevanz

Die gesundheitlichen Folgen einer unvollständigen Mikrobiomerholung sind gravierend. Mäuse auf westlicher Diät wiesen nach Antibiotikabehandlung eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen (z. B. Salmonellen) und stärkere Darmentzündungen auf, was die Bedeutung einer raschen Mikrobiomregeneration unterstreicht. Dies verdeutlicht, wie wichtig eine rasche und vollständige Regeneration des Mikrobioms für die Abwehr von Krankheitserregern und die Darmgesundheit insgesamt ist.

Fazit

  • Die Studie zeigt, dass ballaststoffreiche Ernährung nach Antibiotikatherapie entscheidend für eine schnelle und robuste Erholung des Darmmikrobioms ist, wobei die Übertragbarkeit auf den Menschen noch durch klinische Studien validiert werden muss.
  • Für die Praxis bedeutet das: Der gezielte Verzehr ballaststoffreicher Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte kann die Regeneration des Mikrobioms wesentlich unterstützen – weit über den Nutzen von Probiotika oder Stuhltransplantationen hinaus. Zukünftig könnten individualisierte Ernährungsempfehlungen während und nach einer Antibiotikatherapie dazu beitragen, das Mikrobiom gezielter zu schützen und wiederherzustellen. Dies eröffnet neue Perspektiven für die Prävention und Therapie von Störungen des Darmmikrobioms.
Ballaststoffreiche Lebensmittel - Bild übernommen aus Wikipedia.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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